Erdmuthe

Alles was man wissen muss...

Was man um die Mitte des 17. Jh. über die Welt an sich und das Reich, in dem man lebte, wissen sollte, findet sich in diesem kleinen, stark beschädigten Band. Verfasst wurden die „Sonderbare Kirchen-, Staat- und Welt-Sachen“ von Erdmuthe Sophie von Sachsen, einer gebürtigen wettinischen Prinzessin. Ihr Leben und Werk zeigen in herausragender Weise, welches intellektuelle Potenzial an den aufgeklärten Höfen der Zeit entwickelt wurde. Bereits während ihres kurzen Lebens erregte sie enormes Aufsehen und ihr Werk erfuhr eine starke Verbreitung – nicht zuletzt auch weil sie eine Frau war.

...“In a nutshell”

Das ausgestellte Exemplar wurde 1678 in Nürnberg gedruckt und stammt aus dem Besitz des Hildesheimer Juristen Johann Bernhard Thomas (gest. 1694). Dieser hatte dem hiesigen Jesuitenkolleg seine umfangreiche Privatbibliothek als Erbe überlassen; als Teil dieses Nachlasses wurde das Werk in der Ordensbibliothek katalogisiert und entsprechend gekennzeichnet.


Erdmuthe Sophia von Sachsen...

Erdmuthe wuchs als Tochter des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. am Dresdner Hof auf. Dort wurde sie durch den lutherischen Oberhofprediger Jakob Weller (1602-1664) erzogen, der zuvor eine Professur an der Universität Wittenberg und das Amt des Superintendenten in Braunschweig innehatte; am Dresdner Hof fungierte er auch als Berater des Kurfürsten. Erdmuthe erhielt durch Weller und einen Pastor Unterricht in Religion, Philosophie, Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte, Geographie und Mathematik. Darüber hinaus dichtete und komponierte sie bereits im Alter von 11 Jahren Kirchenlieder und verfasste eigene verfassungsrechtliche Traktate.

...(1644-1670)

In jeder Hinsicht standesgemäß war die Heirat mit ihrem Cousin, dem hohenzollerischen Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644-1712). Die Hochzeit 1662 in Dresden fiel außerordentlich üppig, aufwändig und kostspielig aus: Das „Theatrum Europaeum“, das auf fast zwei Dutzend Bände angelegte und mit hunderten Kupfertafeln ausgestattete Geschichtswerk Matthäus Merians, würdigte dieses Ereignis entsprechend; verzeichnet werden u.a. eine große Tierhatz, „darinnen sechs Bähren“, ein „Frauenzimmer-Ballet“ sowie ein Singspiel und eine Oper, eigens jeweils für die Braut komponiert, letztere vom Dichter Sigmund von Birken (1626-1681), der für seine Bukolik bekannt war.


Erdmuthes Hof in...

Auch an ihrem neuen Lebensmittelpunkt am Hof in Bayreuth setzte Erdmuthe Sophie ihre wissenschaftliche Arbeit fort. Dort pflegte sie etwa den Kontakt mit von Birken, der zugleich Vorsitzender des „Löblichen Hirten- und Blumen-Orden an der Pegnitz“ war, einer Vereinigung von Literaten oder Dichtern, die bis heute existiert. Die junge Fürstin förderte Kultur und Bildung, wobei ihr der Austausch zwischen gesellschaftlichen Schichten wichtig war. Durch sie konnten sich Adel und Bürgerliche unmittelbar über ein gemeinsames kulturelles, konkret literarisches Anliegen begegnen, dem Erdmuthe durch den Hof ein Forum und eine Bühne gab.

...Bayreuth

Wahrscheinlich agierte Erdmuthe Sophie in Bayreuth in jeder Hinsicht unabhängig, gerade auch von ihrem Ehemann, dem eigentlichen Landesfürsten. Ihre Eigenständigkeit reichte wohl so weit, dass sie in einem eigens für sie erbauten Jagdschloss auf dem nach ihr benannten Sophienberg lebte und arbeitete (s. o. rechts Nr. 4). Wie es für Gelehrte in dieser Zeit üblich – ja, unabdingbar - war, korrespondierte sie intensiv mit Gleichgesinnten bzw. anderen wissenschaftlich Arbeitenden.


Ein besonderes...

„Sonderbare Kirchen-, Staat- und Weltsachen“ war Sophies erstes Werk, das sie zunächst unter dem Titel „Handlung Von der Welt Alter, Des Heiligen Römischen Reichs Ständen, und derselben Beschaffenheit“ im Jahr 1666 in Bayreuth publizierte. Nach ihrem frühen Tod wurde es unter diesem neuen Titel mehrfach aufgelegt und in andere Sprachen übersetzt. Die konfessionell wie historisch versierte Autorin verbindet darin die Konfessions- mit der Profan- Geschichte; so ist eine „Chronik“ der Reformationsgeschichte enthalten und regionale Stände werden den Konfessionen zugeordnet. Methodologisch ist das Werk ein Vorbote der Aufklärung.

...Erstlingswerk

Der Freund und Dichterkollege Sigmund von Birken dürfte mit diesem Vers dem Selbstverständnis und den Anforderungen, die Erdmuthe Sophie an sich selbst richtete, wohl recht nahegekommen sein: “Dichtet Göttinnen, Ihr Griechen! Eine zeigt sich himlisch hier. Gottes Liebe, Stand, Verstand, Tugend, Anmut, Muht und Schöne, Alles, zieret diese Heldin, was man nennet Himels Zier. Fama! preis die Kron der Erd. Himel! sie mit Wohlstand kröne“. Und an anderer Stelle: Was ziert ein Fürsten-Herz, war dieser Fürstin Zier. Verstand und Gottes Lieb glänzt andren Gaben für. Diana scheine schön dort bey den Sternen-Heerden: Hier diese heller blinkt im Himmel und auf Erden.


Bildnachweise: © Dombibliothek; © Wikipedia; © LWL-Museum für Kunst und Kultur [Westfälisches Landesmuseum]: Erdmuthe Sophia zu Pferde, um 1668, Inventar-Nr. C-596332 PAD]