Sichtbare Welt

Die sichtbare...

„Die sichtbare Welt“ ist eines der ersten illustrierten Sachwörterbücher, das sich an Kinder und Jugendliche richtete und seit seinem Erscheinen rund zweihundert Jahre in Gebrauch war. Sein Autor ist der tschechische Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius (1592-1670).

...Welt

Das Buch stammt – wie hunderte andere im Bestand der Dombibliothek – aus dem Besitz des Freiherrn von Reuschenberg. Wahrscheinlich datierte er es im Nachhinein für einen Aufenthalt in Köln 1685, wo er später zur Schule gehen und studieren sollte; zu diesem Zeitpunkt war er etwa zehn Jahre alt, daher dürfte es sich um ein Geschenk handeln. Der helle Einband entspricht bis hin zu den Stempeln sowie der Rückenbeschriftung Dutzenden anderer Bände aus Reuschenbergs Besitz, die er als Erwachsener nach seinem Geschmack gestalten ließ.


Johann Amos Comenius...

Comenius entwarf die erste neuzeitliche Pädagogik. Auch wenn er die Kindheit noch nicht als eigenständigen Lebensabschnitt, sondern nur als Vorstufe des Erwachsenwerdens verstand, so stellte er doch als Erster das Kind mit seinen besonderen Bedürfnissen und Potenzialen in den Mittelpunkt. Zudem wies er der Sprache eine zentrale Funktion der Vermittlung zu, und zwar nicht allein Latein als Bildungs-, sondern auch der Muttersprache. Berühmt ist Comenius nicht zuletzt für dieses Bildwörterbuch, eines der ersten für Kinder überhaupt. Es gehörte angeblich zu Goethes Lieblingsbüchern.

...(1592-1670)

Comenius stammte aus Nordmähren und gehörte einer Gemeinde der Böhmischen Brüder-Unität angehörte. Diese geht auf den Reformator Hus zurück und versuchte, das Ideal der christlichen Urgemeinde streng nach den Geboten der Bergpredigt zu leben. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie wurde Comenius selbst Gemeindeleiter, später sogar Bischof der Gemeinschaft. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen trafen Comenius jedoch im Verlauf seines Lebens mehrfach und hart: Zwei seiner Ehefrauen sowie seine Kinder fielen Seuchen zum Opfer, sein Haus, sein Besitz und auch seine Gemeinde wurden zerstört, so dass er nach Amsterdam fliehen musste.


Comenius setzte diese Erfahrungen von Gewalt, Zerstörung und Unrecht in die Entwicklung einer Pädagogik um. Menschen mussten seines Erachtens grundsätzlich, mindestens jedoch anders als bisher erzogen werden, und das hieß für ihn ohne Ansehen der Person, des Geschlechts, des Standes, der Herkunft. Alle sollten alles und grundlegend lernen, omnes omnia omnino excoli, und das von Anfang an und ein Leben lang. Dafür sollte jedes Kind zur Schule gehen dürfen und müssen. Und: Lernen sollte Freude machen sowie spielerisch erfolgen.

Comenius‘ pädagogischer Ansatz ist zwischen Wahrheit, Nutzen und Glauben gespannt: Der Mensch spielt demnach die zentrale Rolle für das Wohlergehen der Welt als Schöpfung Gottes. Als Christ oder Christin ist jeder und jede aufgefordert, Gottes Wille zu leben und sich daran im Leben zu orientieren. Dies ist für Comenius die Basis des Lernens. Darüber hinaus bedarf der Mensch des Wissens, um sich insgesamt und insbesondere seine Vernunft zu entfalten. Dieser Prozess dauert, wie der Glaube auch, ein Leben an. Aus dieser pädagogischen Perspektive gilt Comenius als Humanist und Vordenker der Aufklärung.


Lebenslanges...

Comenius verkehrte an den großen Höfen der Zeit und beriet in Bildungsfragen. Trotzdem und wohl auch bedingt durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges, wurden in seiner Zeit nur wenige seiner Vorschläge umgesetzt, und sein unmittelbarer Einfluss blieb gering. Indirekt und damit langfristig förderte er jedoch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht sowie die Muttersprache als Basis des Unterrichtens. Gerade heute erscheint Comenius‘ Ansatz modern, weil er das lebenslange Lernen vertrat. Insofern stellt er dem Werk ein Zitat aus Sir 25,5 voran: „Wann du / in der Jugend / nicht samlest: was wilst du / im Alter / finden:“

... Lernen

„Die sichtbare Welt“ galt über viele Generationen als das Schulbuch schlechthin - auch weil es für Kinder im 17. u. 18. Jh. nichts Gleichwertiges gab. Daher wurde es noch bis zur 2. Hälfte des 19. Jh. in den Schulen benutzt. Goethe nennt es in „Dichtung und Wahrheit“ das beste bis dahin publizierte Kinderbuch.


Lehrer...

Die einzelnen Artikel bewegen sich in einem Zyklus über den gesamten Kosmos: von Gott und der Welt, Himmel und Erde, über die Elemente, Pflanzen und Tiere hin zu den Menschen. Deren Handwerke und Berufe, Künste und Wissenschaften, Tugenden und Laster werden ebenso thematisiert wie Spiele, Politik, Kriege, Religionen und Strafen bis hin zum Jüngsten Gericht.

...und Schüler

Die Darstellung des Werkes endet im „Beschluss“ mit der gleichen Illustration wie in der „Einleitung“. Die Artikel sind links mit je einer nummerierten Abbildung und rechts mit Erläuterungen versehen: In zwei Spalten wird der lateinische Text der Übersetzung in die Sprache des Erscheinungslandes gegenübergestellt.


Die Sinne

Die Seele


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